15. Februar – Stromaufwärts nach Champasak
17. Februar 2013Einen Wecker brauch ich nicht mehr, kurz nach 6 Uhr wache ich inzwischen von selbst jeden Morgen auf – obwohl wir heute ja eigentlich richtig ausschlafen könnten. Aber hier sind die Morgenstunden einfach unglaublich schön – Fischer fahren vorbei, auf der anderen Seite des Flusses wacht das Dorf auf, Menschen waschen sich im Fluss, man hört die monotonen Gesänge der Mönche im nahen Kloster und das Geklapper von Geschirr, untermalt von fröhlichen Zurufen. Die Temperaturen sind angenehm (obwohl uns auch die Hitze des Tages zunehmend weniger ausmacht), also sitze ich mit meinem Buch (bzw. E-Book-Reader) im Liegestuhl und sehe und höre, wie der Tag erwacht.
Als einige Zeit später auch Dieter wach ist, gibt es erst mal Frühstück (heute bekamen wir sogar “Sticky Rice”, ein süßer klebriger Reis, eingerollt in eine Bananenblatt, schmeckt ein bißchen nach Karamel – ich liebe ihn, Dieter schüttelt sich). Und ich probierte mal den laotischen Kaffee, denn obwohl ich morgens lieber Tee trinke, konnte ich den Teebeuteln und dem nicht sehr heißen Wasser nichts abgewinnen.
Der Kaffee war eine echte Überraschung – sehr stark, aber überhaupt nicht bitter und praktisch ohne Säure, mit einem ganz leicht schokoladigen Aroma – sehr, sehr lecker, hier könnte ich direkt zur Kaffeetante mutieren! Aber am allerbesten am ganzen Frühstück war der Blick auf den Fluss.
Nach dem Frühstück wurde noch gepackt, was wegen einer laotischen Besonderheit ziemlich schnell geht: Hier gibt es selbst in guten Hotels nur selten Schränke, lediglich eine Stange mit Kleiderbügeln und – falls man Glück hat – ein paar Ablagebretter. Man muss seine Habseligkeiten also nicht erst mühselig zusammensuchen – das meiste bleibt eh’ im Koffer.
Und dank eines genialen Geschenks meiner Schwester, die mir vor einem Jahr einige Netztaschen mit Reißverschluss geschenkt hatte, ist unser Koffer jetzt immer total übersichtlich und aufgeräumt. Hemden und T-Shirts von Dieter liegen ordentlich aufgestapelt in der blauen, meine in der roten Netztasche, Unterwäsche in einem weiteren Beutel. Nichts rutscht durcheinander, mit einem Handgriff findet man, was man braucht, im Hotel stapelt man die Beutel einfach im Schrank oder Regal. Auch diverse andere Kleinigkeiten verschwinden bei uns inzwischen in diesen praktischen Dingern, durch das Netzt sieht man den Inhalt immer sofort und die Zeiten, wo wir endlos im Koffer wühlen mussten, um etwas zu finden, sind Vergangenheit. Gut, wenn man eine so praktisch veranlagte Schwester hat – ich wäre nie auf diese clevere Lösung gekommen .
Jedenfalls hatten wir noch reichlich Zeit, nachdem unser Koffer zu war, und schlenderten noch ein bißchen die Straße entlang. Zu unserem Hotel gehört neben den schwimmenden Bungalows noch ein hübsches altes Kolonialgebäude, früher war es das Hospital, heute sind dort ebenfalls ein paar Hotelzimmer im Kolonialstil untergebracht.
Es wurde langsam 11 Uhr, unser Koffer stand vor der Rezeption und außer uns wartete noch ein weiteres Paar (mit zwei riesigen Koffern!) auf den Bootstransfer.
Etwa 10 Minuten nach 11 tuckerte ein komplett überladenes Boot langsam auf unsere Anlegestelle zu, voll mit Leuten im hinteren Teil, vorne, im Bug, stapelte sich das Gepäck auf gefährliche Weise. Wir waren froh, dass wir nicht mit so einem Boot fahren mussten …. aber zu früh gefreut, das Boot legte an – konnte jedoch wegen anderer Boote nicht richtig an die Treppe heran – und uns und dem anderen Paar wurde bedeutet, einzusteigen. Mr. Tai, der gestern vollmundige Versprechungen gemacht hatte, war von der Bildfläche verschwunden, und uns schwante, dass wir zurück bleiben würden, falls wir nicht in dieses Boot stiegen.
Dass wir es schafften, unseren Koffer die schmale rutschige Treppe runter zu bugsieren (auch sämtliche sonstigen Hilfskräfte des Hotels waren plötzlich alle weg), grenzte an ein Wunder, ebenso erstaunlich war, dass wir es schafften, den Koffer ins Boot zu wuchten und dann selbst waghalsig am Bootsrand entlang zu klettern, bis wir uns auf einem schmalen Brett niederlassen konnten. Erst mal waren wir einfach nur erleichtert, dass wir es ohne Unfall bis ins Boot geschafft hatten – allerdings lag unser Koffer ziemlich schräg ganz vorne auf dem Bug, ich behielt die beiden Räder, die nach oben zeigten, jedenfalls fest im Blick.
(Der große schwarze Koffer ist nicht unserer – der gehörte der jungen Frau, die mit uns eingestiegen war….)
Wir tuckerten sehr langsam mit dem inzwischen wirklich übervollen Boot los, allerdings schlug der Bootsführer nicht den direkten Weg nach Nakasang ein. Uns schwante Übles – und tatsächlich, er steuerte erst noch Don Det ein, wo er noch mal drei junge Männer samt riesigen Rucksäcken aufgabelte. Hier wird wirklich nach dem Motto gehandelt “Einer geht immer noch rein …!” Alle waren heilfroh, als wir in Nakasang anlegten.
Dort mussten wir unser Gepäck erst mal wieder über den nassen Sand zur Treppe schleppen, dann die Straße entlang zur Bushaltestelle. Dort herrschte das komplette Chaos – Dutzende von Minibussen und sicher über Hundert Reisende standen in der glühenden Sonne bzw. im spärlichen Schatten.
Keiner wusste etwas, es gab niemand, den man um Auskunft bitten konnte – als ich endlich einen etwas offizieller aussehenden Menschen entdeckt und fragte, welcher der zahlreichen Busse nach Champasak fahre, deutete er nur vage in eine Richtung und sagte “You wait here!” Da letztlich jedoch alle in der gleichen Lage waren, gingen wir davon aus, dass sich das Ganze schon irgendwie klären würde und fassten uns in Geduld.
Und tatsächlich – eine knappe halbe Stunde später schwenkte ein Mann eine Liste und brüllte den Namen unseres Hotels bzw. unserer Bungalows “Sala Phae!” (Das Hotel hieß zwar “Sala Don Khone”, die schwimmenden Bungalows wurden jedoch als Sala Phae bezeichnet – zum Glück fiel uns das gerade noch rechtzeitig ein). Wir meldeten uns zusammen mit dem Paar, das mit uns gefahren war und wurden zu einem Minibus gebracht – der einer Sauna glich, denn er stand offenbar schon einige Zeit in der Sonne.
Unser Koffer landete dieses Mal mit geübtem Schwung auf dem Dach, das Gepäck der anderen Mitreisenden, die so nach und nach eintrudelten, folgte, dann wurde alles mit Stricken festgezurrt… Im Bus gab es 3 Sitzreihen, hinten drei Sitze, ansonsten jeweils zwei und ein ausklappbarer weiterer Sitz pro Reihe. Wir verteilten uns alle im Bus, Dieter und ich in der zweiten Reihe, als der Fahrer kam und ziemlich rüde einiges an Umverteilung vornahm. Wir durften zwar sitzen bleiben, aber ein etwas größerer junger Mann wurde aus der letzten Reihe rausgerufen und sollte sich neben Dieter setzen, stattdessen sollten auf der Sitzbank ganz hinten nun plötzlich 4 Leute Platz nehmen. Das rief heftige Proteste der armen Hinterbänkler hervor, aber es nützte nichts … Auch eine junge Chinesin, die unbedingt vorne beim Fahrer sitzen wollte und fast in Tränen ausbrach, als ihr das verweigert wurde, musste sich fügen. Die Sitze beim Fahrer bekam ein älteres skandinavisches Paar.
Nachdem der Bus also absolut voll war, ging’s los. Alle arrangierten sich so gut wie möglich (wobei es uns ja recht gut ging) und machten sich mit den Mitreisenden bekannt: Hinter uns saß ein junges Pärchen aus Österreich, eine junge Frau aus Seattle, die mit ihrem Freund allerdings aus beruflichen Gründen derzeit in Hongkong lebt, – der Freund saß neben Dieter – sowie der männliche Teil des chinesischen Paares, das aus der Stadt kommt, wo die Pandas leben (den Namen der Stadt habe ich nicht verstanden). Vor uns die beiden Amerikaner, die mit uns aus Don Khone aufgebrochen waren, daneben die Chinesin. Auf dieser Reise lernten wir wirklich immer wieder sehr nette Menschen kennen, auch wenn es stets bloß ganz flüchtige Begegnungen waren.
Nach einer Weile angeregter Unterhaltung wurde es ruhig im Bus, und ich bewunderte einmal mehr die Fähigkeit junge Leute, in den unmöglichsten Situationen zu schlafen ….
Knapp 2 Stunden später bog der Bus von der großen Straße ab auf eine holprige Stichstraße Richtung Mekong. Durch das Geholpere wurden alle wieder wach, und als sie merkten, dass wir von der Hauptstraße abgebogen waren, brach bei einigen leichte Panik aus. Sie fürchteten einen zeitraubenden Umweg, und da wir ohnehin schon mit erheblicher Verspätung losgefahren waren, hatten sie Angst, ihre Anschlußbusse zu verpassen. Zwei Paare wollten nach Bangkok weiter fahren, eines nach Vientiane.
Da es in Laos überhaupt keine Zugverbindungen gibt (mal abgesehen von dem Versuch der Franzosen auf Don Khone und Don Det), kommt man ausschließlich Per Flug oder Bus durch’s Land. Länere Strecken werden in so genannten „Sleeper-Busses“ zurückgelegt, die sind n der Regel zweistöckig und enthalten kleine Schlafkojen. Auf den ersten Blick sehen sie ganz gemütlich aus, allerdings sind die gerade mal 1m breiten Kojen stets für 2 Personen gedacht und außerdem viel zu kurz für mitteleuropäische Körperverhältnisse. Für den Weg von Pakse bis Siem Reap, der häufig gefahren wird, sind die Busse bis zu 18 Stunden unterwegs …. unser Flieger brauchte 55 Minuten. Obwohl wir sehr für langsames Reisen sind – hier ist der Flug für uns der eindeutige Favorit (und deutlich rücken- und nervenschonender…)
Wir beruhigten sie, dass es nur ein kurzer Abstecher sei, weil wir hier die Fähre über den Mekong nach Champasak nehmen müssen. Nach wenigen Minuten stoppte der Bus auf einer staubigen Dorfstraße, wir stiegen aus – und zu unserer Überraschung das chinesische Pärchen ebenfalls. Gemeinsam gingen wir Richtung Fähranleger, an einer Ecke rief uns eine Frau zu “Boat 5 minutes” . Da der Anleger nur wenige Meter von uns entfernt zu sehen war, konnte das nur bedeuten, dass die nächste Fähre in 5 Minuten ging …. dachen wir, und kauften erst mal eine Flasche Wasser. Plötzlich tauchte ein Mann auf, bedeutete uns, ihm zu folgen und führte uns zu einem Boot – die offizielle Fähre kam hingegen gerade über den Fluss getuckert.
Ich fragte nach dem Preis – er nannte 30.000 Kip pro Person – eindeutig zu viel. Lachend bedeuteten wir ihm, dass wir dann lieber die Fähre nehmen, er nannte nun 20.000 Kip. Auch das war viel zu viel, aber die beiden Chinesen waren bereits eingestiegen und mir fiel plötzlich ein, dass der Amerikaner im Bus erzählt hatte, dass unser Hotel in Champasak, das River Resort, einen eigenen Bootsanleger hat. Ich wollte versuchen, den Bootsmann zu überreden, uns direkt dorthin zu bringen – aber erst mal klappte die Verständigung nicht, weil er bereits den Motor angeworfen hatte.
Da wir nun schon mal im Boot saßen, genossen wir die Fahrt über den hier sehr breiten Mekong.
Drüben angelangt erklärte ich dem Fahrer, wo wir hin wollten, und für weitere 10.000 Kip brachte er uns direkt zur Anlagestelle des River Resorts. Dort war zwar niemand, denn es wusste ja keiner, dass wir quasi durch die Hintertür kommen würden, aber ich kletterte einfach die lange und steile Treppe hoch, während Dieter unten beim Koffer blieb, und landete im Restaurant. Fünf Minuten später war der Koffer oben, wir saßen auf einem bequemen Sofa, hatten einen Begrüßungsdrink vor uns und kalte Tücher in der Hand. Weitere 10 Minuten später waren wir in unserem Zimmer, im oberen Stockwerk einer zweistöckigen Villa. In jedem Haus sind lediglich zwei Zimmer und ich hatte sehr gehofft, dass wir oben landen würden.
Wir waren rückhaltslos begeistert – nicht nur von dem ausnehmend schönen, sehr schlicht, aber elegant eingerichteten Zimmer, sondern vor allem von der grandiosen Aussicht. Das Zimmer ist vorne raumhoch verglast bzw. mit Schiebe-Glastüren versehen, die sich auf einen riesigen Balkon zum Mekong hin öffnen.
Der Ausblick ist absolut grandios – erst mal nahmen wir aber das Zimmer in Besitz und freuten uns, dass es endlich mal wieder ein bißchen Luxus gab. Neben zwei Waschbecken ….
… gab es auch noch zwei Duschen – eine Innen- sowie eine Außendusche. Alles ist noch sehr neu und top-gepflegt. Auch hier gab es allerdings keinen Kleiderschrank – nur eine Kleiderstange – aber ansonsten ausreichend Stauraum in diverse Regalen im Waschbereich.
Auch die Außenanlage ist wunderschön, saftig-grüne Reisfelder wurden zwischen Restaurant und Rezeption angelegt, ein kleiner Teich, viele Bäume …
Es war mittlerweile schon fast 16 Uhr, wir legten uns also nur noch eine Weile an den Pool – ebenfalls mit Mekong-Blick –
und gingen relativ früh zum Essen, denn das etwas karge Frühstück war unsere letzte Mahlzeit gewesen.
Ein Mekong-Fisch mit Tamarindensauce, ein aromatischer Tomaten-Salat mit Balsamico-Dressing und kleinen Stückchen eines würzigen Blauschimmel-Käses, eine Tom Yam Gung für Dieter (die nach seiner Aussage zu den besten gehörte, die er je gegessen hatte), dann noch ein Glas Rotwein auf dem Sofa in der Lounge-Ecke ….. das war der wunderbare Ausklang eines ziemlich ereignisreichen und nicht völlig unstressigen Tages.