BEXHILL ON SEA
5. Juli – Von Cornwall nach Sussex und Kent
Wenn Engel reisen, lacht der Himmel …. wir hatten jedenfalls allerbestes Reisewetter. Die letzten beiden Tage wollten wir in Sussex und Kent verbringen, etwas näher an Dover, damit der Weg zur Fähre nicht mehr so lang ist. Bei der heutigen Routenplanung schlossen wir einen Kompromiss zwischen “Land gewinnen” und “schöne Route” – das war notwendig, denn wir hatten rund 500 km vor uns.
Zunächst ging es zügig auf die Schnellstraße durchs Bodmin Moor, nicht einmal Daphne du Mauriers “Jamaica Inn” war uns einen Stopp wert (allerdings hatten wir uns das schon vor Jahren angesehen und als reines Touristenziel abgehakt…). Dann fuhren wir knapp oberhalb des Dartmoors Richtung Exter und über Ringwood durch den New Forest.
Weiter ging es bis Brighton – kurz danach bogen wir dann jedoch ab Richtung Küste. Zunächst war es eine ERholung, mal nicht auf einer 4spurigen Schnellstraße dahin zu brettern – es dauerte allerdings nicht lange und wir standen im Stau…. Und das war nicht irgend ein Baustellenstau oder durch einen Traktor verursacht – nein: Es war der Stau derer, die wegen des schönen Wetters zu einem Wochenende ans Meer wollten!!! Es war Freitag, es war Nachmittag – und gefühlte 10.000 Londoner oder sonstige Briten hatten plötzlich das selbe Ziel wie wir – sie wollten ans Meer.
Wir konnten es nicht ändern, also akzeptierten wir unser Schicksal mehr oder weniger ergeben … Gaaaaanz langsam rückten wir Richtung Küste vor, als uns der nächste Schock traf: Es wurde zunehmend nebliger! Später erfuhren wir, dass es diese Art von abendlichem Küstennebel höchstens 2-3 Mal im Jahr gibt – wir hatten ausgerechnet einen davon erwischt. Wobei es zunächst ja auch durchaus reizvoll aussah…
Ziemlich bald sahen wir jedoch kaum noch was – bis wir wieder ein Stück landeinwärts fuhren. Eigentlich wollten wir ja die Seven Sisters, die tollen Kreidefelsen, im Licht der Nachmittagssonne sehen, aber man konnte sie nicht einmal erahnen. Unseren Frust ertränkten wir im idyllisch gelegenen Garten des“Golden Galleon Pub”, am Cuckmere River in der Nähe von Seaford – wobei Dieter als Fahrer lediglich Kaffee trank, ich gönnte mir hingegen einen Pimms (Kommentar der Bedienung, nachdem ich zunächst einen Tee bestellt hatte und dann umschwenkte “This is much better and more fun than tea!”)
Physisch und moralisch gestärkt fuhren wir weiter, in der Hoffnung, eventuell einen Blick auf den “Long Man of Wilmington” zu erhaschen. Mit Rudis Hilfe (so ein Navi ist doch ziemlich schlau …. wenn man es entsprechend füttert ;-)) fanden wir die Kreidefigur auch tatsächlich ganz ohne Probleme.
Auf dem Bauch der Figur kraxelten ein paar Leute herum – wir verkniffen uns jedoch eine Wanderung, denn wir wollten ja noch nach Bexhill und so langsam wurde es spät…. Es war dann auch schon nach 18 Uhr, als wir unsere Unterkunft in Bexhill-on-Sea erreichten – aber der Empfang im “Coast Bed & Breakfast” war mehr als herzlich. Und unser Zimmer ein echter Traum …
Linda und Chris sind perfekte Gastgeber – hier wären wir gerne noch länger geblieben!
Zum Essen gingen wir ein paar Straßen weiter zu einem wirklich tollen Italiener, der “Trattoria Italiana”, eine modernes, luftiges Restaurant, wo es nicht nur wunderbare Pizza (mit dünnem Boden!) gab, sondern auch sehr guten Wein, eine Riesenschale marinierter Oliven mit Ciabatta als Vorspeise und einen richtig guten alten Grappa hinterher….Wenn man sich im (sehr vollen!) Lokal umschaute, wurde schnell klar, weshalb Bexhill-on-Sea auch als “Rentnerstadt” bezeichnet wird – hierher ziehen viele ältere Engländer, sofern sie es sich leisten können, ihren Lebensabend am Meer zu verbringen. Entsprechend war der Altersdurchschnitt im Restaurant – die meisten waren offenbar Stammkunden und wurden vom Patrone überschwänglich herzlich begrüßt.
Gestärkt wanderten wir wieder in den Nebel hinaus, bewunderten die Pavillons im Nebel am Meer…
… tranken noch ein Absegler-Pint in einer urigen irischen Kneipe “The Harp” und freuten uns dann an unserem tollen Zimmer und dem herrlich bequemen Bett….
6. Juli – Ländliche Idylle, Gärten und Schlösser in Sussex und Kent
Sissinghurst – Virginia Woolf, Vita Sackville-West, der weiße Garten …. Das verträumte Dornröschenschloss Scotney Castle, die Pracht von Leeds Castle – oder Hever Castle, das Heim von Anne Boleyn, der berühmt-berüchtigten Frau von Heinrich VIII …. Das alles (und noch einiges mehr) spukt bei mir im Kopf herum, wenn ich “Kent” denke. Klar – alles würden wir unmöglich sehen könne, also mussten Prioritäten gesetzt werden.
Beim üppigen Frühstück mit Rührei und Lachs diskutierten wir ein letztes Mal alle Alternativen – schließlich fiel die Wahl auf Sissinghurst (beim letzten Besuch vor ca. 10 Jahren war der Akku meiner Kamera nach wenigen Bildern leer!), Scotney Castle und am Nachmittag wollten wir noch einen Versuch mit den Seven Sisters unternehmen.
Sissinghurst öffnet seinen Garten erst um 11 Uhr, wir waren schon 15 Minuten vorher dort und als National Trust Mitglieder mussten wir nicht lange nach Eintrittskarten anstehen, sondern konnten gleich rein, als die Tore geöffnet wurden. Hinter uns drängten sich ganze Busladungen – darunter ziemlich viele Deutsche ….
Die Anlage besteht im Grunde aus 10 unterschiedlich thematisierten Gärten, die um das alte Wohngebäude von Vita Sackville-West liegen – einer schöner als der andere. Der bekannteste und berühmteste ist zweifellos der “Weiße Garten”, in dem es ausschließlich weiße Blumen gibt. Den steuerten wir als erstes an, bevor die Besuchermassen hin kamen.
Ein anderer Gartenteil schwelgte in Lila-Rosa-Tönen….
Dann kletterten wir in einem der Türme hoch bis aufs Dach und schauten uns die Pracht von oben an.
Zwar war im Inneren Fotografieren streng verboten – aber einem Blick ins gemütliche Turmstübchen, dem Refugium von Vita Sackville-West,konnte ich dann doch nicht widerstehen.
Und dann wurde meine Teleobjektiv mal total ausgereizt: Gaaanz weit unten waren Imker bei der Arbeit – und man konnte jede einzelne Biene genau sehen!
Wieder unten angelangt, kam dann mal das Makro zum Einsatz: Eine Hummel sammelte emsig Nektar in einer Mohnblüte..
Der ganze Garten ist eine einzige Idylle: Eine malerische Bank vor einem Taubenschlag …
…. üppige Rosenbüsche vor einer Ziegelmauer …
… der akkurat gemähte Rasen vor dem Wohngebäude …
Wir trennten uns nur schwer von Sissinghurst – aber es gab ja noch weitere Ziele!
Nur eine halbe Stunde entfernt liegt Scotney Castle – so stelle ich mir das Schloss von Dornröschen vor! Zwar gibt es ein beeindruckende mächtiges Haupt-Schloss…
Von da aus geht es hinunter in einen Park, in dem ein weiteres Schlösschen steht – es liegt verträumt an einem kleinen Teich, von oben fast verborgen zwischen Bäumen.
Kommt man näher, wirkt es beinahe noch geheimnisvoller.
Es ist ein fast magischer Ort – obwohl das Schlösschen friedlich in der Sonne liegt und sich im Wasser des kleinen Teiches spiegelt, stellt man sich dramatische Szenen – Liebe und Kabale – vor…. Von vorne nahezu intakt, ist es von der Rückseite nur eine Ruine.
… allerdings eine ungemein reizvolle …
Auch hier konnten wir nicht endlos verweilen – wir waren hungrig und durstig und wollten eine schöne Tasse Tee und (letztmalig auf dieser Reise!) Scones mit Erdbeermarmelade. Alfriston schwebte uns dafür vor – es lag auf dem Weg zu den “Seven Sisters”, die wir gestern wegen nebel nicht sehen konnten, sollte unglaublich malerisch sein und mit Tearooms gesegnet.
Rudi brachte uns ohne größere Umwege (mit einigen sanften Korrekturen meinerseits ….;-) – er ist ein Fan von Schnellstraßen, ich mag die kleinen Seitenstraßen lieber) hin, wir fanden ein schattiges Plätzchen für unser Auto (allerdings auf dem Busparkplatz – der normale war rappelvoll, der für Busse völlig leer …) und sahen uns erst mal im Örtchen um.
In einem Pub wurde für einen Abend mit einer Hellseherin geworben ….
… ein anderes pries sein sonstiges Angebot an…
Über eine kleine Seitengasse landeten wir vor der Kirche, wo gerade eine Hochzeitsfeier stattfand.
Unmittelbar daneben fanden wir das alte Pfarrhaus – vom National Trust betreut und von einem idyllischen Garten umgeben.
Tee und Scones gab es schließlich auch in einem schattigen Garten – und wir haderten heftig mit uns, weil wir ja die Fähre für morgen gebucht hatten und eine Verlängerung damit verhindert hatten… Aber noch war der Tag ja nicht zu Ende! Wir wollten ja noch an die Küste, zu den sieben Schwestern.
Mit unglaublichem Glück ergatterten wir einen Parkplatz vor der “Golden Galleon” am Cruckmere River und stiefelten los.
Links kamen schon bald die Kreideformationen der Schwestern ins Blickfeld.
Und dann lagen sie vor uns – alle Sieben, schneeweiß …
Zufrieden und glücklich wanderten wir am Fluss entlang zurück zum Auto.
Noch zog es uns überhaupt nicht zurück nach Bexhill – der Abend war so schön und warm – wir wollten am liebsten irgendwo draußen essen. Im Hinterkopf hatten wir das “Tiger Inn” in East Dean – aber wir fürchteten, dass wir dort a) keinen Parkplatz und b) keinen Platz zum Essen finden würden. Aber wer’s niocht mal versucht …. Wir fuhren hin …. und fanden sofort einen Parkplatz direkt oberhalb des Village Greens und eben wurde ein sonniger Tisch frei – mehr brauchten wir nicht, um unseren letzten Abend in England rundum zu genießen!
Auch das Essen war lecker – ein letztes Mal frischen Fisch…
Auf dem Weg zum Auto stellten wir überrascht fest, dass hier ein prominenter Detektiv gelebt hatte – Sherlock Holmes, von dem wir eigentlich angenommen hatten, dass er eine reine Erfindung von Conan Doyle war ….
Unser letzter Abend in England war zauberhaft – und wir ließen ihn ausklingen in der “Harfe”, der irischen Kneipe um die Ecke von unserem Guesthouse…
7. Juli – Es geht wieder nach Hause …
… wenn auch äußerst ungern. Das Wetter ist derart toll geworden, dass wir heftig bedauern, die Fähre schon fest gebucht zu haben. Andererseits – sollte es jetzt weiterhin so schön und warm bleiben, ist es daheim ja auch ganz nett….
Wir waren sehr frühzeitig aufgebrochen (nach einem letzten sagenhaft leckeren englischen Frühstück) und weil wir so viel Zeit hatten, schlug ich vor, eine kleine Seitenstraße durch den Romney Marsh zu nehmen. Das war allerdings ein Riesenfehler, denn bald steckten wir in einem kilometerlangen Stau fest – und rätselten, wohin um alles in der Welt an einem Sonntag Morgen um 9 Uhr so viele Leute fuhren.
Des Rätsels Lösung war ein riesiger Parkplatz, hinter dem ein Strand lag – Engländer gehen offenbar schon deutlich früher an den Strand als wir!
Ziemlich knapp, aber gerade noch rechtzeitig, kamen wir in Dover im Hafen an. Die berühmten weißen Klippen ragten vor einem wolkenlosen Himmel steil in die Höhe, als wir uns mit unserm Auto in die richtige Schlange an der Fähre eingereiht hatten.
Kurz darauf sahen wir sie vom Schiff aus langsam in der Ferne entschwinden ….
Eine Weile begleiteten uns noch ein paar Möwen….
…. und ich freute mich, dass meine neue Kamera so flott auslöst, dass ich sie im Flug erwischen konnte.
Tja, und nach 1 1/2 Stunden landeten wir in Calais, bei brütender Hitze ging es dann ohne jeglichen Stau Richtung Deutschland und nach 5 1/2 Stunden Fahrt waren wir in Heidelberg angekommen.
Und werden uns so rasch wie möglich damit beschäftigen, die nächste Reise zu planen!